Dr. Stefan Krech ist Mannschaftsarzt der Rockets Gotha und ein gefragter Sportmediziner - im Interview mit der Thüringer Allgemeine spricht er über sportliche Verletzungsrisiken im Allgemeinen und Problemen in Zeiten von Corona im Speziellen. Zudem gibt er wertvolle Tipps, worauf beim Neustart nach längerer Pause zu achten ist.
Nachfolgend veröffentlichen wir - mit freundlicher Genehmigung der TA - den Wortlaut des kompletten Interviews.
„Nach der Pause nicht von null auf hundert!“
Das Corona-Virus legt derzeit den Sportbetrieb lahm. Doch welche Auswirkungen hat dies auf andere Verletzungen und die Zeit danach? Wir sprachen mit dem in Ohrdruf ansässigen Facharzt für Orthopädie Dr. Stefan Krech (55).
Durch die Corona-Krise sollen nicht lebensnotwendige Operationen verschoben werden. Haben Sie nun mehr Freizeit?
Tatsächlich herrscht im Heliosklinikum Gotha die Regelung, dass große elektive Eingriffe, die eine intensive Nachversorgung beinhalten würde, nicht stattfinden. Ich darf noch operieren, weil ich in der Regel eine Operation durchführe, die einen kurzen stationären Aufenthalt bedingt oder sogar ambulant geschehen kann. Der Aufwand ist für den Patienten relativ gering. Ich habe die Programme momentan nicht so voll, auch weil insgesamt weniger Patienten kommen. Aber es gibt aktuell keine Sperre – Stand jetzt.
Sportmediziner Ingo Froböse sprach kürzlich davon, dass die Pause bei Profis für Leistungseinbußen von 20 bis 30 Prozent sorgt. Lässt sich dies auf den Amateurbereich umrechnen?
Wenn ich ein hohes Leistungslevel habe, beinhaltet das auch Trainingsumfänge, die je nach Sportart bis zu 30 Stunden in der Woche einnehmen. Da ist es natürlich so, dass der Verlust schon sehr groß ist, wenn ich es runterfahre auf zwanzig oder zehn Stunden und nicht in der Gruppe oder mit der Mannschaft trainieren darf. Für den Freizeitsportler, der vielleicht zweimal in der Woche für zwei Stunden trainiert hat, wird der Verlust nicht so dramatisch sein, weil der Aufwand deutlich geringer ist und der Fitnesszustand sicher ein anderer ist als bei einem Profi.
Wird das Verletzungsrisiko nach der langen Pause höher sein als normal?
Alle Pausen erhöhen das Risiko von Verletzungen, wenn – das ist die Gefahr beim Freizeitsportler – das Training dann nicht getaktet ist. Das ist aber auch durch andere Gründe möglich. Nach dem Motto: Ich hatte eine Grippe und denke, jetzt habe ich sie auskuriert, bin gesund und spiele sofort wieder so wie vor der Grippe. Das erhöht schlagartig das Verletzungsrisiko. Ich hoffe, dass jeder weiß, dass man nach einer mehrmonatigen Pause erst einmal wieder Grundlagen aufbauen muss und nicht sofort von null auf hindert gehen kann.
Sportartübergreifend liest man in den letzten Jahren vermehrt von Kreuzbandrissen. Ist die Zahl dieser Verletzung nur gefühlt oder wirklich angestiegen?
Ich habe dazu mehrere Quellen gelesen. Die einen sprechen von 30 bis 50.000 Kreuzbandverletzungen pro Jahr, andere von bis zu 80.000. Das Problem an den Kreuzbandrissen ist, dass viele Verletzungen dadurch passieren, weil der Sportler für den Moment sportlich nicht gut genug vorbereitet ist. Mit der Zunahme des Breitensports steigen natürlich auch die Ambitionen der Sportler, aber nicht unbedingt die Trainingsqualität. Ein Großteil der saisonalen Skiverletzungen passiert deshalb, weil die Leute nur einmal im Jahr Ski fahren und den Rest des Jahres Rad fahren. Wer ganzjährig trainiert, verletzt sich in der Regel weniger.
Sportwissenschaftler machen unter anderem auch ein verändertes Schuhwerk beim Sport dafür verantwortlich.
Sicher ist die technische Ausstattung ein Faktor, der dies beeinflussen kann. Kreuzbandverletzungen passieren ja immer dann, wenn ein Teil des Beinsystems fixiert wird und ein anderer Teil in eine Richtung gedrängt wird, die nicht mehr gebremst werden kann. So kann es passieren, dass neue oder nicht gewohnte Schuhe dazu führen, die Bewegungskontrolle so zu stören, dass dies ausreicht.
Früher bedeutete ein Kreuzbandriss zumeist das Ende einer sportlichen Laufbahn. Heutzutage stehen auch Amateursportler nach einigen Monaten wieder auf dem Platz. Ist der menschliche Körper robuster geworden?
Nein, im Gegenteil. Es ist jetzt wieder eine Normalisierung eingetreten, was die Heilungszeit angeht. Es gibt Statistiken, die zeigen, dass rund 70 bis 80 Prozent der Leute nach einer Operation wieder auf ihr Leistungsniveau kommen. Die anderen schaffen es aus unterschiedlichen Gründen nicht. Als ich anfing, Kreuzbandoperationen durchzuführen, blieb im Hinterkopf immer diese „Sechs-Monate-Dauer“. Heute ist man aus der Erfahrung eher bei einem dreiviertel oder einem Jahr. Das heißt nicht, dass man nicht vorher schon wieder Sport treiben oder Fußball spielen kann. Aber bis man wieder das Level erreicht wie vor der Verletzung, dauert mindestens so lange. Natürlich hat ein Profi eine bessere Ausgangslage als ein Amateur. Aber eine Garantie gibt es nicht. Das gravierendste Beispiel ist für mich Sami Khedira. Klar war er bei der WM dabei. Aber an seine eigentliche Leistungsstärke ist er nie wieder herangekommen. Deshalb sagen wir auch jedem Kreisliga-Fußballer: Du wirst es wieder schaffen und auf dem Platz stehen, aber es braucht seine Zeit.
Wie hat sich die Sportmedizin für den Amateurbereich verändert?
Der Freizeitsport ist zum einen vielfältiger geworden, viele haben Zugang zu Sportarten, die verletzungsanfälliger sind. Das andere ist der Wunsch der Sporttreibenden, eine komplexe Betreuung zu haben. Man will nicht mehr nur eine Binde ums Knie haben, sondern eine Rundumbetreuung, angefangen von Diagnostik, MRT-Untersuchung, Fragen rund um die Heilung. Ein MRT war früher sehr kostspielig, heute ist es fast Standard.
Allgemein geht der Trend dahin, bis ins höhere Alter Sport zu treiben. Ein richtiger Weg?
Die Grundaussage heißt ja: Sport ist gesund. Das ist natürlich ein wenig zu pauschal, weil eher die richtige Wahl des Sports in der richtigen Dosierung gesund hält oder gesund macht. Natürlich ist es so, dass ich erwarten kann, dass man Herz-Kreislauf-System besser funktioniert, wenn ich es trainiere. Das Problem besteht darin, wie komplex meine Sportart ist. Je komplexer, umso komplexeres Training ist dafür nötig. Unabhängig davon muss jedem klar sein, dass es altersbedingte Grenzen gibt.
Quelle: Thüringer Allgemeine
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